Es ist das Super-Bowl-Finale am 22. Januar 1984, knapp hundert Millionen Menschen schauen zu. Das Spiel selbst verläuft weniger spannend – bereits zur Halbzeit liegen die Los Angeles Raiders gegen die Washington Redskins mit 21:3 in Führung. Für Furore sorgt viel mehr ein außergewöhnlicher Werbespot, der im dritten Viertel ausgestrahlt wird. In dem 60 Sekunden langen Clip von Star-Regisseur Ridley Scott kündigt Apple den ersten Macintosh an. Doch es geht nicht einfach nur um einen neuen Computer. Die Botschaft lautet: Der Mac wird die Welt davor bewahren, dass die düstere Vision aus George Orwells Roman „1984“ im namensgebenden Jahr Wirklichkeit wird: „Big Brother“ IBM wird mit seinen grauen PCs nicht die IT-Welt beherrschen.
Obwohl Apple selbst ihn nur ein einziges Mal ausstrahlte, schrieb der Clip Geschichte. Nachrichtensendungen wiederholten ihn mehrfach, um über den Publicity-Coup zu berichten. Die Zeitschriften Advertising Age und TV Guide kürten „1984“ später zum besten Werbespot aller Zeiten.
Die Premiere des Apple Macintosh sollte zwei Tage später, am 24. Januar 1984, bei der jährlichen Aktionärsversammlung von Apple im Flint Center Auditorium des De Anza Community College stattfinden. Nach dem Werbespot und den zahlreichen Presseberichten sollte dies den Höhepunkt der Einführungskampagne darstellen. Steve Jobs plante, zukünftige Produkteinführungen als epochale Momente inszenieren zu lassen: eine feierliche Enthüllung vor einem großen Publikum, bestehend aus loyalen Bewunderern und aufgeheizten Journalisten.
Andy Hertzfeld, ein freundlicher Software-Ingenieur aus dem Macintosh-Team, hatte es zuvor in nur zwei Tagen geschafft, eine Software zu entwickeln, mit der der Computer den Spruch „Die Stunde des Siegers“ abspielen konnte. Jobs war mit dem Ergebnis jedoch nicht zufrieden und entschied sich stattdessen für eine Aufnahme, berichtet der Steve-Jobs-Biograf Walter Isaacson.
Jobs war jedoch begeistert von dem Sprachgenerator des ersten Apple Macintosh. Damit konnte geschriebener Text in gesprochene Sprache mit einem charmanten elektronischen Akzent umgewandelt werden. Er beschloss, ihn für die Demo zu verwenden. Steve Hayden, der Texter des „1984“-Spots, wurde beauftragt, den Text zu schreiben. Mac-Entwickler Steve Capps entwickelte eine Möglichkeit, das Wort „Macintosh“ in riesiger Schriftgröße über den Bildschirm laufen zu lassen, und Susan Kare, die die Schriften und Icons des Mac-Betriebssystems gestaltet hatte, entwarf ein Begrüßungsbild.
Die Premiere des Apple Macintosh am 24. Januar 1984
Bei der Probe am Vorabend des großen Tages gab es jedoch einige Probleme. Jobs war mit der Bildschirmanimation nicht zufrieden und verlangte ständig Verbesserungen. Auch das Bühnenlicht gefiel ihm nicht, und er hetzte Apple-CEO John Sculley kreuz und quer durch den Saal, damit er den Effekt aus verschiedenen Perspektiven betrachten und seine Meinung dazu abgeben konnte. Sculley, der zuvor bei PepsiCo gearbeitet hatte und sich nie Gedanken über Bühnenlicht gemacht hatte, äußerte sich unsicher wie ein Patient beim Augenarzt, der entscheiden soll, welche Linse besser ist. Die Probe dauerte fünf Stunden bis tief in die Nacht. „Irgendwann hatte ich Zweifel, ob wir es bis zur Veranstaltung am nächsten Morgen schaffen würden“, sagte Sculley.
Doch dann war es soweit: Das Flint Center in Cupertino war bis auf den letzten seiner 2600 Plätze besetzt. Steve Jobs trat ans Mikrofon, um als Chairman die Aktionärsversammlung offiziell zu eröffnen. Er begann mit einem 20 Jahre alten Gedicht von Bob Dylan: „The Times They Are A-Changin'“.
Come writers and critics
Who prophesize with your pen
And keep your eyes wide
The chance won’t come again
And don’t speak too soon
For the wheel’s still in spin
And there’s no tellin‘ who
That it’s namin‘
For the loser now
Will be later to win
For the times they are a-changin‘
Kommt, Autoren und Kritiker
die ihr mit euren Stiften prophezeit
und behaltet eure Augen weit offen
Die Gelegenheit wird sich nicht noch einmal bieten
Und sprecht nicht zu früh,
denn das Glücksrad dreht sich noch
Und man kann nicht vorhersagen,
auf welchen Namen es zeigen wird
Denn wer jetzt der Verlierer ist,
der wird später gewinnen
Lieblingsfeind IBM
Mit diesem Vortrag des Dylan-Songs wollte der damals 28 Jahre alte Studienabbrecher Steve Jobs nicht nur der US-Protestbewegung huldigen, sondern auch deutlich machen, dass der Kampf um die Vorherrschaft im Markt der Personal Computer aus seiner Sicht noch nicht entschieden war. Zusammen mit seinem Kumpel Steve Wozniak hatte Jobs bereits Jahre zuvor IBM das Fürchten gelehrt. Während die Anzug-Träger bei IBM der Meinung waren, dass Computer so teuer wie ein Luxusauto sein müssen, zeigten die beiden ab 1975 mit dem Apple I, dass im Prinzip jeder Mensch einen Computer besitzen und benutzen kann. Der erste Rechner Apple hatte mit knapp 200 verkauften Bausätzen noch die Dimensionen eines Hobby-Projektes. Der Nachfolger Apple II war dagegen schon ein großer Erfolg.
Wozniak hatte eine Maschine entwickelt, mit der die Mitbewerber nicht mithalten konnten: Der Apple II bot mit acht Slots reichlich Platz für Erweiterungen und konnte hochauflösende Grafik darstellen. Aus der kleinen Firma in der Garage der Eltern von Steve Jobs entwickelte sich ein erfolgreiches Unternehmen. Die Verkaufszahlen stiegen rapide: von 2500 Stück im Jahr 1977 auf 210.000 im Jahr 1981. Doch Jobs war unruhig. Der Apple II konnte nicht ewig so erfolgreich bleiben, und er wusste nur allzu gut, dass das Gerät immer als Wozniaks Meisterstück angesehen werden würde, egal, wie viel er selbst für das Produktdesign getan hatte. Er brauchte sein eigenes Gerät, das eine Delle in das Universum schlagen würde. Und die Zeit drängte, denn plötzlich war IBM wieder im Spiel. Aufgerüttelt durch den Erfolg des Apple II hatte „Big Blue“ 1981 den ersten IBM PC auf den Markt gebracht. Schnell übertrafen die IBM-Verkaufszahlen die des Apple II.
Der erste Versuch, einen erfolgreichen Nachfolger für den Apple II auf den Markt zu bringen, geriet 1980 zum teuren Flop. Der Apple III konnte die Käufer nicht überzeugen, da er zu teuer war und nicht mit dem populären Vorgänger Apple II kompatibel war. Doch das Unternehmen hatte noch zwei weitere Asse im Ärmel: das Projekt Lisa und das Projekt Macintosh. Die Entwicklung des Lisa begann bereits 1978. Lisa sollte rund 2000 Dollar kosten und mit einem 16-Bit-Prozessor ausgestattet sein. Mit diesen verbesserten Eigenschaften wollte Apple einen großen Schritt nach vorne machen und sich von dem blinkenden Cursor auf schwarzen Bildschirmen verabschieden. Lisa sollte eine Benutzeroberfläche mit Fenstern haben, mit Menüs und schöner Schrift.
Die Ideen aus dem Xerox PARC
Um von den Pionieren der grafischen Benutzeroberflächenentwicklung zu lernen, mussten Steve Jobs und seine Mitarbeiter nur 20 Minuten mit dem Auto zum legendären Forschungszentrum Xerox Palo Alto Research Center (PARC) fahren. Der Apple-Ingenieur Jef Raskin, der Anfang 1979 mit dem Macintosh-Projekt betraut wurde, stand regelmäßig in Kontakt mit den PARC-Forschern. Mit der Hilfe von Bill Atkinson konnte schließlich auch Steve Jobs dazu überredet werden, das PARC zu besuchen.
Die drei Technologien, die Jobs dort sah, waren revolutionär. Noch 17 Jahre später erinnerte sich Jobs genau daran: „Ich war total geblendet von dem ersten Ding, das sie mir zeigten: Die grafische Benutzeroberfläche. Ich dachte, das ist das beste Ding, was ich je in meinem Leben gesehen habe. Es hatte noch viele Schwächen. Was wir sahen, war unvollständig. Sie hatten eine ganze Reihe Sachen falsch gemacht. Aber zu der Zeit wussten wir das nicht. Aber dennoch: Sie hatten den Keim der Idee geschaffen, und sie hatten es sehr gut gemacht. Und innerhalb von zehn Minuten war mir klar, dass eines Tages alle Computer so arbeiten würden.“
Jobs beschloss danach, die Strategie von Apple zu überdenken und sich vollständig auf das „Graphical User Interface“ (GUI), die grafische Benutzeroberfläche, zu konzentrieren, die er im PARC gesehen hatte. Larry Tesler, der damals als PARC-Angestellter an der Demo teilnahm, war von den Besuchern fasziniert: „Nach einer Stunde verstanden sie die Technologie unserer Demos und was sie bedeuteten besser als jeder Xerox-Manager nach all den Jahren, in denen wir sie ihnen gezeigt hatten.“ Tesler wechselte dann 1980 zu Apple.
Um die Besuche im Xerox PARC im Dezember 1979 rankt sich die Legende, Jobs habe die wichtigsten Ideen für das GUI beim Xerox PARC einfach nur geklaut. Mit diesem Argument hatte sich Microsoft-Chef Bill Gates stets gegen Vorwürfe zur Wehr gesetzt, das Konzept von Microsoft Windows sei von Apple gestohlen worden. Nach den Erinnerungen von Mac-Entwickler Andy Hertzfeld lautete die Antwort von Gates auf den Vorwurf des Diebstahls so: „Nun, Steve, ich glaube, es gibt mehr als eine Möglichkeit, das zu sehen. Ich glaube, es ist eher so, dass wir beide diesen reichen Nachbarn namens Xerox hatten und ich in sein Haus eingebrochen bin, um den Fernseher zu stehlen nur um herauszufinden, dass du ihn bereits geklaut hattest.“
Jobs erkannte auf jeden Fall das Potenzial der Entwicklungen aus dem PARC sofort. Er wollte die Technik unbedingt bei der Entwicklung des Apple Lisa einbringen. Doch der Apple-Verwaltungsrat traute ihm nicht zu, das Lisa-Projekt zum Erfolg zu führen. Daher schnappte sich der wilde Firmenmitbegründer das Macintosh-Projekt von Jef Raskin, das als Nachfolger für den Apple II als „Volks-Computer“ in Arbeit war. Raskin hatte geplant, den Macintosh mit einem möglichst preiswerten Prozessor, dem Motorola 6809, und einem extrem eng bemessenen Hauptspeicher von 64 Kilobyte auszustatten, um ihn nicht teurer als 1000 Dollar werden zu lassen. Doch um die Ideen von Xerox zu veredeln und zum Laufen zu bringen, reichte diese Hardware nicht aus.
Andy Hertzfeld, der den Systemkern des Mac (und später das Benutzer-Interface von Google+) entwickelt hat, und seine Kollegen mussten in diesen Monaten immer wieder unter den Wutattacken von Jobs leiden.
Das Team wurde aber auch positiv angespornt: „Steve war sehr verärgert, dass der Mac zunächst so lange zum Booten brauchte“, berichtete Hertzfeld Jahre später. So versuchte er den Software-Entwickler Larry Kenyon zu motivieren. Er erzählte ihm:
„Weißt du, ich habe darüber nachgedacht. Wie viele Leute werden den Macintosh benutzen? Eine Million? Nein, mehr als das. Ich wette, in ein paar Jahren werden fünf Millionen Menschen mindestens einmal täglich ihre Macintosh-Rechner hochfahren. Nun, sagen wir, du kannst die Bootzeit um 10 Sekunden verkürzen. Multipliziert man das mit fünf Millionen Benutzern und das sind 50 Millionen Sekunden, jeden Tag. Über ein Jahr hinweg sind das wahrscheinlich Dutzende von Leben. Wenn Du den Mac also zehn Sekunden schneller starten lassen kannst, hast Du ein Dutzend Leben gerettet. Das ist es wirklich wert, findest du nicht auch?“
Kenyon machte sich noch einmal an die Arbeit und verkürzte den Bootvorgang um weitere drei Sekunden. So löste das „Macintosh-Team“ ein Problem nach dem anderen.
Apple bot den ersten Macintosh 1984 zum Preis von 2495 US-Dollar an – inflationsbereinigt entspricht das heute (Januar 2024) mehr als 7500 US-Dollar. Der Mac war der erste Rechner mit einer grafischen Desktop-Oberfläche, den sich auch Privatanwender leisten konnten. Statt des schwachen 6809 haben die Entwickler den Motorola 68000 verbaut, der mit 8 MHz getaktet war und auf 128 Kilobyte Arbeitsspeicher zugreifen konnte. Der Prozessor trug seinen Namen, weil er aus 68 000 Transistoren bestand. Zum Vergleich: Apples A16-Chip, der im iPhone 15 steckt, besteht aus 16 Milliarden Transistoren.
Ein 3,5-Zoll-Floppylaufwerk von Sony mit 400 Kilobyte Speicherplatz und ein kleiner 9-Zoll-Bildschirm vervollständigten den Macintosh. Wie der Vorgänger Lisa war auch er mit einer grafischen Bedienoberfläche und einer Maus ausgestattet, sodass die Anwender sich nicht mit Kommandozeileneingaben herumquälen mussten. „Für die User war die Bedienung des Macintosh revolutionär: Mit einer Maus den Cursor/Zeiger bedienen, Menüfenster verschieben und Menüleisten anklicken. Ein Computer, der intuitiv bedienbar war, das gab es bisher noch nicht. Plug and Play: Einschalten und loslegen war die Devise“, sagt Michael Mikolajczak, Kurator im Heinz Nixdorf MuseumsForum und Experte für die Geschichte der Personal Computer..
Steve Jobs und Apple-CEO John Sculley haben lange über den Verkaufspreis des ersten Apple Macintosh gestritten. Marketing-Mann Sculley wollte die Markteinführung durch eine große Marketing-Kampagne begleiten. Und diese Kosten sollten seiner Ansicht nach auf den Verkaufspreis umgeschlagen werden, wodurch sich der erste Mac um 500 Dollar verteuerte.
Jobs leistete wütenden Widerstand. „Das zerstört alles, wofür wir stehen«, sagte er. »Ich will hier eine Revolution machen, nicht Profit um jeden Preis!“ Sculley stellte ihn vor die Wahl – entweder ein Verkaufspreis von 1995 Dollar oder die große Werbekampagne, aber nicht beides. „Es wird euch nicht gefallen«, erzählte er Hertzfeld und den anderen Ingenieuren, „aber Sculley besteht darauf, dass wir für den Mac 2495 Dollar nehmen anstatt 1995«. Die Ingenieure waren entsetzt. Andy Hertzfeld erklärte, sie hätten den Mac für Leute wie ihresgleichen entwickelt und ihn derart zu verteuern, sei ein „Verrat“ an ihren Grundsätzen. Also versprach ihnen Jobs: „Keine Sorge, er kommt damit nicht durch, dafür sorge ich!“ Aber am Ende siegte Sculley doch. Der Mac kostete mehr als Jobs es wollte.
Der Apple Macintosh stieß bei vielen Enthusiasten auf Begeisterung, als er endlich erhältlich war. Doch nach der anfänglichen Euphorie sanken die Verkaufszahlen drastisch in der zweiten Jahreshälfte 1984. Isaacson, der Biograf von Steve Jobs, erklärt, dass dahinter ein ernsthaftes Problem steckte. Der Macintosh war zwar ein beeindruckendes Gerät, aber gleichzeitig langsam und leistungsschwach. Selbst die ansprechende Benutzeroberfläche konnte darüber nicht hinwegtäuschen. Sie wirkte wie ein fröhliches Spielzimmer im Gegensatz zu den tristen, dunklen Bildschirmen mit giftgrünen blinkenden Zeichen und nüchternen Befehlszeilen.
Die grafische Bedienoberfläche war jedoch das größte Manko des ersten Macs. Ein einzelnes Zeichen in einem textbasierten System benötigte weniger als ein Byte im Code, während der Macintosh 20- bis 30-mal mehr Speicherplatz benötigte, um einen Buchstaben pixelgenau in verschiedenen eleganten Schriftarten darzustellen. Beim Apple Lisa spielte dies keine große Rolle, da er mit über 1000 KByte RAM ausgestattet war. Der Macintosh hingegen musste mit nur 128 KByte auskommen.
Ein weiteres Problem war das Fehlen einer internen Festplatte. Als Joanna Hoffman aus dem Mac-Team sich für dieses Speichermedium einsetzte, bezeichnete Jobs sie als „Xerox-Fanatikerin“. Stattdessen verfügte der Macintosh nur über ein Diskettenlaufwerk. Das ständige Wechseln der Disketten führte zu einer Art Tennisarm, wenn man Daten kopieren wollte. Zudem hatte der Macintosh keinen Ventilator, da Steve Jobs dies nicht wollte. Er fand, dass Lüfter die Stille eines Computers stören. Dies führte jedoch häufig zu Ausfällen von Bauteilen und verlieh dem Macintosh den Spitznamen „der beige Toaster“.
Dazu kam die Herausforderung, dass für den Mac noch kein breites Software-Angebot verfügbar war. In einem TV-Interview erinnerte sich der damalige Apple-Chef John Sculley später: „Der Mac konnte einfach nicht viel: Wir hatten Mac Paint und Mac Write als einzige Anwendungen, und der Markt hatte das schon gemerkt. Am Ende des Jahres sagten die Leute: Vielleicht ist der IBM-PC nicht so einfach zu benutzen oder so attraktiv wie der Macintosh. Aber er macht etwas, was wir gerne wollen – Tabellenkalkulation, Textverarbeitung, Datenbank. Wir sahen die Umsatzzahlen für den Mac Ende 1984 runtergehen, und das wurde ein Problem im folgenden Jahr.“
„Der Mac konnte einfach nicht viel“
Der mit 128 Kilobyte viel zu eng bemessene Hauptspeicher machte diese Aufgabe aber nicht einfach. Erst als ein Jahr später der „Fat Mac“ mit 512 Kilobyte DRAM auf den Markt kam, war der Flaschenhals beseitigt. Er war der erste Macintosh, mit dem man vernünftig arbeiten konnte.
Steve Jobs sah andere Ursachen für den schleppenden Absatz. In einem Interview sagte er: „Ende 1984 geriet die Branche in eine Rezession. Die Verkäufe begannen ernsthaft zu schrumpfen. Und John (Sculley) wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte keinen blassen Schimmer.“ An der Spitze von Apple habe es ein Führungsvakuum gegeben. Dadurch hätten sich die Abstimmungsprobleme zwischen den verschiedenen Abteilungen verschärft. „Es gab keine Führung“.
Apple-Mitbegründer Steve Wozniak hat sich im dem Streit zwischen Jobs und Sculley später auf die Seite des ehemaligen PepsiCo-Managers geschlagen. „Als Steve den Macintosh vorstellte, war er noch jung, wollte zu schnell vorankommen und war nicht in der Lage, ein wirklich gutes, erfolgreiches Produkt zu entwickeln“, sagte „Woz“ in einem Interview mit dem Silicon-Valley-Portal „The Verge“ im Juli 2013. „Der Macintosh hätte ein ganz anderes Produkt sein sollen, kein mausgesteuerter GUI-Rechner, wie er es war, und mit dem Lisa hätte er einfach fünf Jahre warten sollen, dann wäre er fertig gewesen.“
HNF-Experte Michael Mikolajczak sieht vor allem im Preis den Grund dafür, sich in dieser Phase IBM-kompatible PCs gegen den Mac durchgesetzt haben: „Diese Rechner waren wesentlich günstiger als Apple-Produkte. Außerdem war IBM ein Weltunternehmen und dementsprechend wurden die Produkte als seriös betrachtet. Als IBM 1981 ihren ersten PC präsentierten, übernahmen sie direkt die Marktmacht und drängten die «Hippiefirma» Apple zurück. Viele Unternehmen folgten dem technischen Design des IBM-Rechners. Diese setzten sich nach und nach als Standard durch. Die «Bürowelt» war äußerst zufrieden mit IBM- oder IBM kompatiblen Computern und ihren Programmen wie Word und Word Perfect.“
Der Mac ohne Steve Jobs
Steve Jobs, der im Sommer 1985 im Streit um die Ursachen der Absatzkrise von Sculley und dem Apple-Vorstand aus dem Unternehmen gedrängt worden war, musste die ersten kleinen Erfolge des Macintosh am Markt von außen beobachten, obwohl er selbst die Schritte zum Überleben des Macs noch eingeleitet hatte. Der Apple-Mitbegründer hatte dafür gesorgt, dass sein Unterhemen 1985 in das damals noch wenig bekannte Startup Adobe investierte. „Die Leute dort wollten eigentlich ein Hardware-Unternehmen werden“, sagte Jobs elf Jahre später in einem Interview. „Sie wollten Drucker und das ganze Zeug herstellen.“ Er habe aber Adobe-Gründer John Warnock überreden können, ein Softwareunternehmen zu werden. „Innerhalb von zwei oder drei Wochen haben wir dann unser internes Projekt abgebrochen“, erinnerte sich Jobs. „Ein paar Leute wollten mich deswegen umbringen, aber wir haben es geschafft.“
Aus der Kooperation entstand der erste LaserWriter. Der Laserdrucker-Controller wurde bei Apple entwickelt, die Postscript-Software kam von Adobe, die eigentliche Drucker-Einheit von Canon. „Niemand bei Apple wollte ihn haben, außer ein paar von uns in der Mac-Gruppe“, sagte Jobs. „Alle dachten, ein Drucker für 7000 Dollar sei verrückt. Was sie nicht verstanden, war, dass man ihn mit dem Netzwerk AppleTalk gemeinsam nutzen konnte.“
Als Steve Jobs Apple verließ, war das Unternehmen der umsatzstärkste Druckerhersteller der Welt. Die Ära des Desktop-Publishings begann. Softwarefirmen wie Aldus schrieben erste Programme wie PageMaker für die Erfolgskombination Macintosh und LaserWriter. Dieser Trend verstärkte sich, als Anfang 1986 der Macintosh Plus mit 128 Kilobyte ROM auf den Markt kam. Die Speicherchips waren nun nicht mehr fest auf der Platine verlötet, sondern gesockelt. So konnte man das Gerät auf bis zu vier Megabyte RAM aufrüsten.
Der Mac Plus hatte sogar Cursor-Tasten, die Steve Jobs beim ersten Mac noch entschieden abgelehnt hatte. Er wollte die Anwender zwingen, die Maus als Eingabeinstrument zu akzeptieren.
Teures Performance-Wunder Macintosh II
Mit dem Macintosh II brachte Apple 1987 den ersten Mac auf den Markt, der modular aufgebaut war. Für 5200 Dollar erhielten die Kunden ein System mit einer 20 Megabyte großen Festplatte, sechs NuBus-Slots und SCSI. Mithilfe der von Texas Instruments entwickelten NuBus-Technik ließ sich der Mac II intern und über SCSI auch extern erweitern. An einen Port konnten die Besitzer bis zu sieben externe SCSI-Geräte – etwa eine Festplatte oder ein CD-ROM-Laufwerk – anschließen. Angetrieben wurde der Mac II von einem 68020-Prozessor, der mit 16 MHz getaktet war. Grafiker und DTP-Spezialisten jubelten über den Performance-Gewinn. Ein komplett ausgebautes System mit Farbgrafikkarte, Speichererweiterungen und sonstigem Zubehör verschlang bis zu 10 000 Dollar.
Parallel zum großen Mac II veröffentlichte Apple im März 1987 den Macintosh SE, den ersten kompakten Mac mit einer eingebauten Festplatte (20 Megabyte). Der vorhandene Erweiterungsslot ließ sich nicht von den Anwendern, sondern nur von Servicetechnikern bestücken, weil man sich an der Bildschirmröhre leicht einen Hochspannungsschlag holen konnte. Der Mac SE diente einer ganzen Generation von Grafikern und Publishern als solides Arbeitspferd.
Weitaus exklusiver als der SE war der Macintosh IIfx, der im Frühjahr 1990 mit System 6.0.5 in die Läden kam – mit einem Preisschild von 9870 Dollar. In dem Rechner steckte der Motorola-Prozessor 68030, der von dem mathematischen Coprozessor Motorola 68882 unterstützt wurde. Dieses hochgezüchtete Rennpferd, das mit 40 MHz getaktet war, blieb aber für viele unerschwinglich.
[…] irgendwie praktische Verwendung in meinem Leben zu finden. Aber zehn Jahre später, als wir den ersten Macintosh-Computer entwarfen, kam alles wieder. Und wir haben das alles in den Mac eingebracht. Es war der erste […]
Das von Dieter Rams inspirierte „Käsereiben“ Design wurde nicht für den MacPro entwickelt sondern für den PowerMac G5 (2003).
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