Software-Entwickler Andy Hertzfeld ist einer wichtigsten Helden der Macintosh-Entwicklung, der aber nur selten im Rampenlicht stand. Er wurde am 6. April 1953 in Philadelphia, Pennsylvania, geboren und wuchs im Osten der USA auf.
Schon in der Schule hatte er einen ersten Zugang zu Computern, obwohl es auf der High School selbst gar keinen Computer gab. „Damals, in den späten 60er und 70er Jahren konnten sich die High Schools keinen Computer leisten, aber es gab einen mit Fernschreibern verbundenen GE-Timesharing-Computer, der etwa 10 Meilen entfernt war. Ich hatte das Glück, in der 11. Klasse ein Programm zu benutzen. Und ich habe damit geredet wie ein Fisch mit Wasser“, erzählte Andy in einem Interview mit NerdTV.
Damals konnte man den Rechner noch nicht in Echtzeit bedienen, sondern musste sein Programm vorab schreiben, es auf ein Lochstreifenband ausdrucken und dieses dann mit einem speziellen Lesegerät einlesen, um das Programm an den Computer zu übermitteln. „Es war etwas umständlich, aber ich habe es trotzdem geliebt.“
Nach der High School, die er zusammen mit Susan Kare besucht hatte, zog Andy Hertzfeld nach Kalifornien um und studierte an der UC Berkeley. Doch nachdem er sich einem Apple II gekauft hatte, fand er die Computerei viel interessanter als die Universität. „Ich fing an, meine ganze Zeit darauf zu verwenden und brach mein Studium ab, um im August ’79 für Apple zu arbeiten.“
Hertzfeld hat dann einige Produkte für den Apple II entwickelt, vor allem den ersten kleinen, preiswerten Thermodrucker, den Silent Type. Das Können des jungen Programmierer hatte sich dann schnell bis hin zu Steve Job herumgesprochen, der gerade sein Team für die Entwicklung des ersten Apple Maintosh zusammenstellte.
Die Geschichte, wie Andy Hertzfeld für das Macintosh-Projekt rekrutiert wurde, ist legendär: „Steve kam an meinem Arbeitsplatz vorbei. Das war an einem Donnerstagnachmittag“, erinnnert sich Hertzfeld im Podcast „Land of Giants“ im Gespräch mit Peter Kafka. „Ich sagte: ‚Okay, ich fange am Montag an, geben Sie mir nur einen halben Tag Zeit, um meine Arbeit zu dokumentieren, damit jemand anderes sie fortsetzen kann.‘ Und er sagte: ‚Nein, der Macintosh ist die Zukunft von Apple, du wirst jetzt damit anfangen.‘ Und er schnappte sich meinen Apple II von meinem Schreibtisch und ging damit weg. Was konnte ich tun, als meinem Computer zu folgen.
So kam Andy Hertzfeld zum Macintosh-Team. Dort schrieb er einen großen Teil der ursprünglichen Systemsoftware für den Mac, darunter die User Interface Toolbox, den Window Manager, Menü-Manager, Controll-Manager. Steve Jobs vermittelte dabei ständig den Eindruck, dass es um ein viel größeres Ziel ging: „Wir haben nicht nur einen Computer entwickelt. Wir wollten die Menschheit retten, wir wollten die Zukunft der Menschheit verbessern. Und deshalb rollt man manchmal ein bisschen mit den Augen, aber der Enthusiasmus ist ansteckend.“
Mit dem legendären Werbespot „1984“ teilte Jobs dann auch der ganzen Welt mit, dass er etwas Weltveränderndes enthüllen würde. Es gab aber noch ein Problem. Damals hatte er dieses weltverändernde Gerät noch nicht wirklich fertiggestellt. Er brauchte Hertzfeld und ein kleines Team, das rund um die Uhr arbeitete, angetrieben von der Idee, dass sie etwas Großartiges schaffen würden.
„Die Fertigstellung der Macintosh-Systemsoftware war ein gewaltiger Kraftakt. Alle Software-Ingenieure, etwa ein Dutzend von uns, waren 48 Stunden ohne Schlaf wach. Wir haben es kaum geschafft“, erinnert sich Hertzfeld. „Am nächsten Tag lagen wir erschöpft auf dem Boden und waren glücklich. Sie wissen schon, hey, wir haben es geschafft. Wir sind endlich fertig.“ Dann kam Steve iund sagte nur: „Steht auf!, ihr seid noch nicht fertig. Ich möchte, dass der Macintosh der erste Computer ist, der sich selbst ankündigt.“
Jobs verlangte also, dass Hertzfeld und sein erschöpftes Team dem Mac das Sprechen beibringen soll. Das war ein technischer Vorstoß, der das Team bis zur letzten Minute an die Grenzen der Belastungsfähigkeit getrieben hat. Und als Jobs dann auf der Apple-Aktionärsversammlung 1984 die Bühne betrat, zog er den Mac aus der Tasche, von dem Hertzfeld nicht wirklich überzeugt war, dass er funktionieren würde.
Jobs hatte hoch gepokert und gewonnen. Es funktionierte. Der Macintosh konnte sprechen, mehr oder weniger zumindest. Und er sah fast knuddelig aus, als würde er lächeln. Und er war versiegelt, dass man ihn nicht öffnen konnte. Im Gegensatz zu anderen Computern, die so konstruiert waren, dass man in den Eingeweiden des Geräts herumstochern und modifizieren konnte, war der Mac für Leute gedacht, die den Unterschied zwischen RAM und ROM oder anderen Computerbegriffen nicht kannten oder sich nicht darum scherten. Einschalten und loslegen, sagt Apple-Experte Peter Kafka.
Andy Hertzfeld: „Der Mac hatte dieses großartige Intro. Die Leute sahen es als die Revolution, die es war.“ Apple begann zunächst mit großem Erfolg, den Mac an Hochschulen zu verkaufen. Aber bereits im Herbst 1984 brachen der Absatz bis Weihnachten 1984 dramatisch ein. Die Verkäufe waren sehr enttäuschend. Sie betrugen vielleicht ein Zehntel von dem, was Apple vorhergesagt hatte.
Andy Hertzfeld verließ Apple im April 1984, ziemlich bald nach der Einführung des Macs. Auf die Frage, warum er Apple den Rücken gekehrt hat, antwortete Hertzfeld bei „NerdTV“:
Andy: Ich hatte einen schlechten Manager, einen Manager, der wollte, dass ich vor ihm salutiere. Ich habe nicht deutlich genug gegrüßt.
Reporter Bob Cringley: Buchstäblich salutieren?
Andy: Das ist eine Metapher. Ich nenne die Geschichte in meinem Buch "zu groß für meine Hosen". Er nahm mich mit auf einen Spaziergang, um mich verbal herauszufordern. In der Zeit, in der ich den größten Teil der Macintosh-Systemsoftware geschrieben hatte, gab er mir eine schlechte Bewertung, weil ich ihm gegenüber ungehorsam war. Das hat mich desillusioniert. Das geschah im Februar 1983. Ich wäre damals gegangen, aber ich war dem Mac zu sehr verpflichtet. Ich musste bleiben, um es zu Ende zu bringen. Aber sobald es Januar 1984 war, ging ich. Ich war immer noch in der Lage, Systemsoftware zu entwickeln. Ich habe Switcher, die erste Multitasking-Umgebung für den Macintosh, als Außenstehender entwickelt - ich konnte sie an Apple zurückverkaufen. Ich wollte dort nicht arbeiten, weil ich den Geist der Mac-Gruppe liebte, aber dann kam dieser Typ - sein Name ist Bob Belleville - der schlechte Manager, der mich dazu brachte, zu kündigen, und nicht in der Lage war, genug Kompromisse einzugehen, um dort zu bleiben. Bob Cringley: Warum hat Steve obs dich nicht beschützt? Andy: Steve hatte es versprochen. Als Bud Tribble, der frühere Manager, gegangen war, hätten Burrell und ich beinahe gekündigt. Wir hatten Angst, einen schlechten Manager zu bekommen, und Steve hatte versprochen, mich zu beschützen, aber zu dieser Zeit hatten wir den Mac im Wesentlichen schon entwickelt. Die technische Arbeit war getan, und was Steve zu diesem Zeitpunkt brauchte, waren Manager, die den Rest von Apple übernehmen konnten. Nachdem der Macintosh auf den Markt gekommen war, bestand sein nächstes Ziel darin, den Rest von Apple in die Mac-Gruppe zu verwandeln. Er hatte erkannt, dass der Rest von Apple nicht so kreativ oder motiviert war wie das Mac-Team, und was man braucht, um das Unternehmen zu übernehmen, sind Manager, keine Innovatoren oder Techniker. Bob: In diesem Moment brauchte er also Bob Belleville mehr als Sie? Andy: Das war es, was ich dachte. Etwas später dachte er wohl, dass er mich mehr brauchte, aber zu dieser Zeit, ja. Und natürlich ist das alles irgendwie auf ihn zurückgefallen. Er (Steve) wurde kurz darauf bei Apple rausgeschmissen… sehr zum Leidwesen von Apple. Es hätte Apple fast umgebracht.
Nach seinem Weggang half seinem Freund Burrell Smith, der die digitale Hardware für den Mac entwickelt hatte, bei der Gründung eines Unternehmens namens Radius im Jahr 1986, das Peripheriegeräte für den Mac herstellte. Die Verbindungen zu Apple rissen aber nicht ab. Hertzfeld hat weiterhin Systemsoftware an Apple verkauft. Im Jahr 1990 gründete er zusammen mit Bill Atkinson, der eine Art Mentor für das Mac-Projekt war, eine Firma namens General Magic, die einige der ersten Handheld-Computer herstellte. Zunächst war Apple an dem Unternehmen beteiligt und unterstützte General Magic. Es gab dann aber einen Punkt, wo der damalige Apple-CEO zu der Entscheidung kam, dass Apple nicht länger General Magic unter die Arme greifen, sondern selbst ein ähnliches Produkt auf den Markt bringen sollte,
„Apple war unser Wohltäter bei der Gründung von General Magic, aber etwa ein Jahr später beschlossen sie dass sie lieber General Magic SEIN wollten und versuchten, uns aus der Welt zu schaffen. Das ist schließlich gelungen, aber es hat ein paar Jahre gedauert.“
Andy Hertzfeld verließ General Magic 1996, um quasi im Vorruhestand ein Internet-Hobbyist zu werden . Es ließ sich eine dicke T-1-Leitung zu seinem Haus. „Irgendwann hatte ich alle vier Lebensmittelbanken in der Bay Area von diesem Haus hier aus gehostet.“
Für den richtigen Ruhestand war es aber noch viel zu früh. „Im Februar 1998, zur Zeit der Ankündigung von Mozilla, wurde ich von dem Virus der freien Software befallen. Ich war verzweifelt über die strukturellen Probleme in der Softwareindustrie und plötzlich, nachdem ich Eric Raymonds Buch ‚The Cathedral and the Bazaar‚ gelesen hatte, wurde mir klar, dass freie Software der Weg zu einer offenen und fairen Softwareindustrie sein könnte.“
Hertzfeld beschloss, sich für einen Wandel in der traditionellen Software-Industrie einzusetzen. Im August 1999 gründete er ein Unternehmen namens Eazel, das freie Software leichter nutzbar machen sollte. Eazel konnte allerdings seine zweite Finanzierungsrunde nicht sichern, so dass er die Firma im Mai 2001 wieder schließen musste.
Danach begann er, mit Mitch Kapor zusammenzuarbeiten. Das ist der Mann, der das legendäre Tabellenkalkulationsprogramm „Lotus 1-2-3“ entwickelt hat. Hertzfeld half Kapor dabei, die Open Source Applications Foundation ins Leben zu rufen. Zusammen entwickelten sie einen innovativen Personal Information Manager namens Chandler. Danach startete er ein Projekt, um die Erinnerungen der Macher des ersten Apple Macintosh für die Nachwelt zu sichern.
Dafür hat Hertzfeld sogar eine eigene Software entwickelt, um diese Erinnerungen im Web zu veröffentlichen: das Folklore-Projekt. Dazu hat er eine Website mit dem Namen folklore.org eingerichtet, die sich dem widmet, was Hertzfeld „kollektives historisches Erzählen“ nennt – einer Gruppe von Menschen zu ermöglichen, zusammenzuarbeiten und ihre gemeinsamen Geschichten zu erzählen. Rechtzeitig zum 20. Geburtstag des Mac im Jahr 2004 hat er etwa 60 Anekdoten über die Entwicklung des Mac im Internet veröffentlicht. Daraus entstand dann das Buch „Revolution in The Valley: The Insanely Great Story of How the Mac Was Made“
Die letzten Jahre seines aktiven Berufslebens verbrachte Hertzfeld dann bei Google.
Von August 2005 bis Juli 2013 arbeitete Hertzfeld für Google, dort war er hauptverantwortlich für die Benutzeroberfläche von Google+.
Mittlerweile befindet sich Hertzfeld hauptsächlich im Ruhestand und bezeichnet sich selbst als retired Hacker, er tritt mitunter aber noch als Investor, zuletzt in das Start-up Spatial, in Erscheinung.
Quellen:
Interview Christoph Dernbach mit Andy Hetzfeld am 25. August 2011 auf der WWDC 2011.
Interview Robert Cringely (NerdTV) mit Andy Herzfeld
https://web.archive.org/web/20120728185354/https://www.pbs.org/cringely/nerdtv/transcripts/001.html
The Kamla Show: Silicon Valley Pioneers: Andy Hertzfeld
Podcast: „Land of Giants“ mit Peter Kafka, Episode 2: „This Changes Everything“
Seite „Andy Hertzfeld“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. November 2020, 10:39 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Andy_Hertzfeld&oldid=206048172 (Abgerufen: 13. Oktober 2021, 20:18 UTC)
[…] Andy Hertzfeld, ein freundlicher Software-Ingenieur aus dem Macintosh-Team, hatte es zuvor in nur zwei Tagen geschafft, eine Software zu entwickeln, mit der der Computer den Spruch „Die Stunde des Siegers“ abspielen konnte. Jobs war mit dem Ergebnis jedoch nicht zufrieden und entschied sich stattdessen für eine Aufnahme, berichtet der Steve-Jobs-Biograf Walter Isaacson. […]