Donnerstag, November 21, 2024
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Tim Cook – Der disziplinierte Apple-CEO mit politischen Ambitionen

Der Alltag beginnt für Apple-Chef Tim Cook mit einer strengen Routine: Schon gegen 3:45 Uhr klingelt der Wecker. Nach einem ersten Kaffee liest und beantwortet er dann E-Mails, die in der Nacht aufgelaufen sind. „Eine Stunde später gehe ich ins Fitnessstudio und bleibe dort bis 6 Uhr. Dann dusche ich und gehe gegen 6.30 Uhr an die Arbeit“, sagt Cook in einem Interview.

"Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich diesen Teil des Tages besser kontrollieren kann. Und nur in der Früh schaffe ich es, zum Sport zu gehen. Morgens habe ich die meiste Energie, außerdem genieße ich die Stille, bevor der Tag anbricht."
Tim Cook zum FOCUS-Magazin

Tim Cook ist nicht nur selbst-diszipliniert, sondern hat auch Apple Disziplin beigebracht. Mitte der 90er Jahre war Apple berühmt-berüchtigt dafür, die Nachfrage nach bestimmten Produkten massiv zu unter- oder überschätzen. So häuften sich entweder teuere Lagerbestände von unverkäuflichen Geräten an oder Apple konnte begehrte Produkte wie die ersten PowerMacs nicht liefern und verärgerte damit seine Kundschaft.

Apple-Mitbegründer Steve Jobs erkannte nach seiner Rückkehr zu Apple 1997 sehr schnell, dass das operative Geschäft auf ein solides Fundament gesetzt werden musste. 1998 fragte er Tim Cook, der damals beim PC-Klone-Hersteller Compaq arbeitete, ob er nicht bei Apple aufräumen könne.

In einer Rede vor Absolventen der Auburn University 2010 erinnerte sich Cook an diesen Moment: „Jede rein rationale Betrachtung der Kosten und Nutzen fiel zugunsten von Compaq aus, und die Leute, die mich kannten, rieten mir am besten, bei Compaq zu bleiben. (…) An diesem Tag Anfang 1998 hörte ich auf meine Intuition, nicht die linke Seite meines Gehirns oder gar die Leute, die mich am besten kannten. (…) Schon nach fünf Minuten in meinem ersten Bewerbungsgespräch mit Steve, war ich bereit. Vorsicht und Logik in den Wind zu schlagen und zu Apple zu kommen. Meine Intuition wusste bereits, dass der Einstieg bei Apple eine einmalige Gelegenheit war, für das kreative Genie zu arbeiten und Teil des Führungsteams zu sein, das ein großes amerikanisches Unternehmen wiederbeleben sollte.“

In seiner ersten Position bei Apple war Tim Cook als Senior Vice President of Operations für die weltweite Produktion verantwortlich. Damals wurde er mit den Worten zitiert: „Du willst es irgendwie so machen, als wärst du in der Milchwirtschaft. Wenn es über sein Frischedatum hinausgeht, hast Du ein Problem“.

Tim Cook räumt auf

Cook schloss Fabriken und Lager von Apple und ersetzte sie durch Lohnfertiger, vor allem in Asien. Dies führte zu einer Reduzierung der Lagerbestände des Unternehmens von Monaten auf Tage.

Arbeiter an einer iPhone-Montagestraße beim Zulieferer Pegatron (2018) – Bild: Apple

Seine Abteilung investierte in langfristige Geschäfte und finanzierte beispielsweise Vorabinvestitionen in Flash-Speicher ab 2005, um eine stabile Versorgung mit diesen Bauteilen zu gewährleisten, die dann massenhaft für den iPod Nano, das iPhone und das iPad benötigt wurden. Die von Cook eingeleiteten Maßnahmen waren mit dafür verantwortlich, bei Apple die Kosten unter Kontrolle zu halten. Zusammen mit den Produkt-Ideen von Steve Jobs und Apple-Designer Jony Ive trug Cook maßgeblich ddazu bei, dass bei Apple ab 2007 riesige Gewinne erzielt werden konnten.

Im Januar 2007 wurde Cook zum Leiter des operativen Geschäfts befördert und übernahm 2009 vertretungsweise den Posten des Chief Executive Officers, als Konzern-Chef Jobs erstmals wegen seiner gesundheitlichen Probleme beurlaubt war. Im Januar 2011 genehmigte das Apple Board of Directors eine weitere medizinische Beurlaubung, die von Jobs beantragt worden war. Während dieser Zeit war Cook für die täglichen Abläufe von Apple verantwortlich, während Jobs noch die strategisch wichtigen Entscheidungen traf. Die Ära Steve Jobs endete am 24. August 2011 mit seinem Rücktritt und Tim Cook wurde offiziell CEO. Sechs Wochen später erlag Steve Jobs seinem Krebsleiden.

Als Apple-Chef setzte Tim Cook den von Steve Jobs eingeleiteten Erfolg des Konzerns beeindruckend fort. Zumindest Umsatz und Gewinn stiegen unablässig. Damit stieg auch der Wert den Unternehmens immer weiter an. Cook gelang es aber nicht, die Abhängigkeit vom iPhone-Umsatz maßgeblich zu reduzieren. Zwar brachte Apple unter seiner Regentschaft auch neue Produktkategorien wie die Apple Watch, die AirPods und den HomePod auf den Markt und erhöhte auch die Service-Umsätze. Doch diese Umsätze hängen fast alle unmittelbar am iPhon.

Mit dem Einbrechen des Geschäfts in China und einer leichten Flaute beim iPhone-Absatz drehte sich auch der Trend bei Apple. Im Weihnachtsquartal 2018 sanken Umsatz und Gewinn, die Aktie brach kräftig ein – um sich dann allerdings auch wieder zu erholen.

Noch als Steve Jobs lebte, haben sich immer wieder Beobachter gefragt, ob Tim Cook tatsächlich in der Lage ist, Apple erfolgreich in die Zukunft zu führen. Definiert man Erfolg rein nach den Businesszahlen, kann sich seine Bilanz sehen lassen, auch wenn Umsatz und Gewinn Ende 2018 nachgaben und der Aktienkurs deutlich fiel.

Umsatz und Gewinn von Apple in der Ära Tim Cook
Kurs der Apple-Aktie seit August 2011

Als der Kurs der Apple-Aktie in den elf Monaten nach der Vorstellung des iPhone 5 im September 2012 fast halbierte, sahen Beobachter wie der Journalist und Buchautor Nils Jacobsen das Ende von Apple nahen. In seinem Buch „Das Apple-Imperium“ schrieb er 2013 vom „Aufstieg und Fall des wertvollsten Unternehmens der Welt“.

Allerdings war die Nachrichten vom Ableben des iPhone-Konzerns verfrüht, denn Umsatz und Gewinn sprudelten umfangreicher denn je und die Apple-Aktie verdreifachte sich im Zeitraum bis zum April 2015 auf über 170 Dollar – um dann aber auch wieder eine schwächere Performance zu zeigen. In einer Neuauflage des seines Buches „Das Apple-Imperium 2.0: Die neuen Herausforderungen des wertvollsten Konzerns der Welt“ malte Jacobsen allerdings das Bild erneut mit dunklen Farben:

Was ich durch die Brille des Wirtschaftsjournalisten bei Beendigung des Manuskripts im Sommer 2016 sehe, ist ein Unternehmen, das auf seinem Zenit angekommen ist – ein Blickwinkel, den die Wall Street offenbar teilt, die Apple bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11 mit einem so krassen Bewertungsabschlag versieht wie einen trägen Old-Economy-Konzern. Anleger haben offenbar begonnen einzupreisen, dass Apples Erfolgsserie schon bald auslaufen könnte. Gleichzeitig sehe ich ein Unternehmen, das verbissen darum kämpft, oben zu bleiben, ein Unternehmen, das sich immer öfter der Kunstgriffe des financial engineering bedient, um mit den größten Barreserven der Wirtschaftsgeschichte seine Vormachtstellung zu verteidigen. Ein Unternehmen, das angefangen hat, ziemlich ungeniert bei vermeintlichen Jubelmeldungen zu tricksen.
Nils Jacobsen in „Das Apple-Imperium 2.0“ (Nov. 2016)

Von einem Zenit war Apple unter Tim Cook im Sommer und Herbst 2016 allerdings noch weit entfernt. Anfang August 2018 überschritt der Konzern als erstes börsennotiertes Unternehmen der Welt die Schwelle von einer Billion Dollar. Der vorläufige Höhepunkt der beispiellosen Börsenralley wurde im Herbst 2018 erreicht. Am 3. Oktober 2018 lag der Kurs beim Allzeithoch von 233,47 Dollar. Eine schwache Smartphone-Konjunktur weltweit und massive Absatzschwierigkeiten ließen den Kurs dann aber auch wieder einbrechen.

Selbst nach dem Absturz der Apple-Aktie in den ersten Wochen des Jahres 2019 können die Investoren zufrieden sein: Zum Amtsantritt von Tim Cook als Apple-CEO am 24.8.2011 stand das AAPL-Papier bei 53,4 Dollar. Anfang März 2019 kostete eine Apple-Aktie mehr als drei Mal so viel (174,9 Dollar).

(Update November 2021:

Apple hat nach einem weiteren steilen Anstieg Ende Oktober 2020 einen Aktienspitt von 4:1 vorgenommen. Für eine Apple-Aktie bekam man 4, deren Wert nur noch ein Viertel war. Splittbereinigt lag der Kurs der Apple-Aktie am 24. August 2011, dem Tag der Amtsübernahme von Tim Cook als CEO bei 13,44 Dollar. Zehn Jahre später bekamen die Investoren 149,62 Dollar. Der Kurs hat sich also mehr als verzehnfacht. Das bisherige Allzeithoch wurde wenige Wochen nach dem zehnjährigen CEO-Jubiläum am 7. Septemmber mit 156,69 Dollar erzielt. Am 17. November 2021 lag der Kurs bei glatt 151 Dollar.)

Obwohl die Zahlen der Tim-Cook-Ära sich sehen lassen können, verstummt die Kritik nicht. Ihm wird immer wieder vorgehalten, dass es nach der Einführung von iPhone (2007) und iPad (2010) kein neues Produkt von Apple gab, das global im großen Stil abräumen konnte.

Apple plagen zwei große Probleme: China und das iPhone. China mag ein kurzfristiges Problem sein, aber der iPhone-Upgrade-Zyklus verlängert sich immer wieder. Die Wahrheit ist vor allem: Unter Tim Cook hat Apple kein neues großes Produkt entwickelt. Das iPad wurde noch unter Steve Jobs entwickelt.
Fondsmanager John Petrides von Point View Wealth Management am 17. Januar 2019 gegenüber Yahoo Finance.

Petrides lässt außen vor, dass das Unternehmen unter Tim Cook aus dem Stand heraus mit der Apple Watch zum erfolgreichsten Smartwatch-Anbieter der Welt geworden ist. Nur Fitbit und Samsung können ein wenig mithalten:

Die Apple Watch: Marktführer unter den Computeruhren – Quelle: Statista

Die Abhängigkeit vom iPhone konnte aber auch die Apple Watch nicht beseitigen, zumal andere Projekte wie der vernetzte Lautsprecher HomePod nicht an die Absatzerfolge der Konkurrenten Amazon und Google heranreichen konnte.

Wir führt Tim Cook das Unternehmen? In dem rund 180 Personen umfassenden Top-Management von Apple berichten 18 direkt an ihn. Das betrifft die unter anderem Bereiche Hardware, Software, Dienstleistungen, Chips, künstliche Intelligenz, Marketing und Finanzen. Außerdem gibt es einen Vorstandsassistenten, der Cook direkt zuarbeitet. Die Anzahl der direkt unterstellten Manager ist bei Cook höher als bei CEOs anderer Top-Tech-Unternehmen, darunter Facebook, Amazon und Uber.

Das Organisations-Chart der Apple-Führung – Quelle: The Information

Cooks Vorgänger Steve Jobs war als legendärer Kontrollfreak bekannt, der sich auch mit winzigen Details beschäftigt und meinungsstark in das Produkt-Design eingemischt hat. Cook setzt dagegen auf Konsens und neigt dazu, sich eng mit seinen Top-Managern abzustimmen. Als ehemaliger Betriebs- und Supply-Chain-Guru für Apple vermeidet er die Einmischung in Produktentscheidungen, wie es Steve Jobs tat, berichtet „The Information“.

„Was heute anders ist, ist, dass Tim viel mehr delegiert“, sagte David Yoffie, ein Professor an der Harvard Business School, der Apple ausgiebig studiert hat, „The Information“. „Apple ist heute eine traditionellere Art von Organisation, im Vergleich zu dem, was sie unter Steve war.“

Ein Vorteil von Cooks Ansatz ist, dass die Beziehungen zwischen den Senior Vice Presidents des Unternehmens weniger politisch instabil sind als in der Ära von Steve Jobs. „Bei Konflikten erwartet Tim Cook von seinen Managern, dass sie ihre Differenzen beilegen. Steve Jobs hatte sich häufig für eine Seite entschieden und sah Vorteile darin, seine Führungskräfte gegeneinander auszuspielen.“

Der Nachteil dieses Führungsstils ist jedoch, dass Tim Cook sich in der Öffentlichkeit nicht mehr der Wucht als die maßgebliche Stimme von Apple zu Wort melden kann, wie es Steve Jobs vermochte. So war Jobs auch in der Lage, mit wenigen Sätzen in einer Pressekonferenz das „Antennagate“ zu beenden, das andere Firmen vielleicht in den Abgrund gerissen hätte. Zu Erinnerung: Beim iPhone 4 aus dem 2010 beschwerten sich etlich Kunden über Probleme beim Empfang. Steve Jobs erklärte kurzerhand, die Nutzer sollten das Handy halt einfach richtig halten. Mit einer Entschuldigung, einem Software-Update und eine kostenlose Schutzhülle für alle Besitzer des iPhone 4 wurde das Problem abgeräumt.

Die Strahlkraft von Jobs wirkte auch nach außen: Als er im April 2010 in seinen „Gedanken zu Flash“ die Technologie von Adobe vernichtend kritisierte, war Flash von einem Tag auf den anderen dem Untergang geweiht.

Cook fehlt dagegen der Instinkt in Produkt- und Marketingfragen, der bei Jobs für einen CEO ungewöhnlich ausgeprägt war. Die US-Journalistin Yukari Iwatani Kane, die lange jahre für das „Wall Street Journal“ über Apple berichtet hat, fasst das so zusammen:

Tim war der Zahlentyp, er war der Prozessexperte. Auch wenn Steve der Visionär hinter all diesen großartigen Produkten wie dem iPhone und dem iPod war, so ist es doch Tim zu verdanken, dass jeder, der eines haben will, eines bekommen kann. Apple definierte Großartigkeit als Veränderung der Geschichte, besser als andere Unternehmen zu sein und als moralisch rechtschaffen zu sein. Und genau dazu hatten die Leute Fragen. Die Fragen für Tim betrafen die Kultur von Apple, seine Werte und seine Vision, und das sind alles Dinge, die man nicht mit Zahlen belegen kann.

Tim Cook entwickelte ein ausgeprägtes Gefühl für politische Fragen, die Jobs weitgehend egal waren. Um diesen Punkt besser verstehen zu können, lohnt ein Blick in seine Biografie:

Tim Cook ist ein Kind der Babyboomer-Generation. Er wurde am 1. November 1960 in Mobile (US-Bundesstaat Alabama) geboren. Er wuchs im benachbarten Robertsdale auf. Sein Vater war Vorarbeiter in einer Werft und seine Mutter Angestellte in einer Apotheke. Er ist der zweite von drei Söhnen. Die Cooks waren kleine Leute in einer erzkonservativen Umgebung, die damals noch von Rassendiskriminierung und Skepsis gegenüber einem liberalen Lebensstil geprägt war.

Als Cook im Jahr 2011 das Erbe des Apple-Gründers Steve Jobs antrat, war es ein offenes Geheimnis, dass er schwul ist. Er marschierte in San Franciscos LGBT-Parade mit und rangierte seit Jahren ganz oben in der „Power 50“-Liste der US-Schwulenzeitschrift „Out“. In seiner Jugend konnte sich Cook zu seiner sexuellen Orientierung kaum offen äußern.

Auf die Frage des Nachrichtenmagazins FOCUS, ob er in seiner Kindheit in den Südstaaten viel Diskriminierung im Alltag erlebt habe, sagte Cook:

Damals war die Lage ziemlich brenzlig. Durch die Civil Rights und die Aufhebung der Rassentrennung 1964 verschwanden ja nicht automatisch die Vorurteile. Dann die Attentate auf Dr. King und Bobby Kennedy: Gerade der Alltagsrassismus, diese kleinen Unterschiede, wenn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe anders behandelt werden, das alles war wirklich schwer zu ertragen, herzzerreißend. Diese Alltagsdiskriminierung gibt es natürlich auch, wenn Menschen wegen ihrer Sexualität oder des Geschlechts diskriminiert werden. Oder in anderen Fällen. Tag für Tag. Weltweit. Die Liste ist verdammt lang.

Tim Cook im FOCUS (28.12.2018)

Vor diesem Hintergrund wirk es auch nicht aufgesetzt, wenn Tim Cook für sich reklamiert, soziale und politische Herausforderungen offensiv zu adressieren. Sein Vorgänger Steve Jobs reagierte im Sommer 2010 noch sehr unbeholfen auf Berichte, wonach sich zehn junge Arbeiter des Apple-Zulieferers Foxconn in Südchina selbst getötet hatten, indem sie vom Dach der Fabrikhalle gesprungen sind. Jobs beschrieb den Tod der Arbeiters zwar als „beunruhigend“, bestand aber darauf, dass die Fabrik „keine Ausbeuterbetrieb“ sei. „Es ist eine schwierige Situation“, sagte er auf der Konferenz All Things Digital. Jobs verteidigte dann die Bedingungen in der Fabrik. „Wenn man sich diesen Ort anschaut – und es ist eine Fabrik – aber, meine Güte, es gibt dort Restaurants und Kinos, Krankenhäuser und Schwimmbäder. Für eine Fabrik ist es ziemlich schön“, sagte er.

Cook wollte sich damit nicht abfinden. Unter seiner Führung müssen die Zulieferbetriebe weltweit in detaillierten Berichten belegen, wie es um die Arbeitsbedingungen beschaffen ist, ob Minderjährige eingesetzt werden, ob Obergrenzen für Tages- und Wochenarbeitszeit eingehalten werden. Die Fortschritte, die erzielt werden, dokumentiert Apple in einem jährlichen Bericht .

Cook kapierte auch schnell, dass es der Marke Apple nur schadet, wenn man Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace keine Auskunft zu den Umweltschutzmaßnahmen gibt oder sich sogar Wortgefechte mit den Aktivisten liefert. Das erste iPhone (2007) wurde von Greenpeace noch scharf kritisiert. Das Smartphone von Apple enthalte Chemikalien und Materialien, die für die Umwelt gefährlich sind, erklärte Greenpeace damals. Ein unabhängiger Labortest an 18 internen und externen Komponenten des iPhone zeige, dass die Hälfte der Proben bromierte Verbindungen enthielt.

Schon zum Ende der Ära Steve Jobs verbesserte sich das Verhältnis zu Greenpeace, weil Apple nicht nur den Einsatz von umweltschädlichen Komponenten systematisch reduzierte. Unter Tim Cook wurde der grüne Kurs von Apple konsequent fortgesetzt. Nach seiner Vorgabe wurde auch die Stromversorgung der eigenen Einrichtungen und Zulieferbetriebe kontinuierlich auf erneuerbare Energie umgestellt. Als Investoren ihn deswegen auf der Apple-Aktionärsversammlung zur Rede stellte und von ihm verlangen, sich vorrangig um die Profitabilität des Unternehmen zu kümmern, verteidigte er seinen Kurs vehement. „Wenn Sie wollen, dass ich die Dinge nur zur Verbesserung des ROI (Return on investment) mache, sollten Sie aus diesem Aktienbestand aussteigen“, sagte er einem Investor.

Die Ergebnisse des „grünen Kurses“ von Cook wurden auch von Greenpeace registriert: Die Organisation vergab Anfang 2017 bei einer Bewertung der wichtigsten US-Technologieriesen dem iPhone-Hersteller die besten Noten für den Einsatz erneuerbarer Energien. Mit 83 Prozent genutztem Strom aus regenerativen Quellen belege Apple dabei das dritte Jahr in Folge den Spitzenplatz in der Rangliste, teilte die Umweltschutz-Organisation im Januar 2017 mit. Amazon setze dagegen mit seinen Webservices AWS immer noch in weiten teilen auf Kohle- und Atomstrom, hieß es im Greenpeace-Report „Grüner Klicken„.

Neben dem Umweltschutz reklamiert Cook ein weiteres politisches Thema vehement für sich: den Datenschutz.

Nach dem NSA-Skandal, der von dem US-Whistleblower Edward Snowden aufgedeckt wurde, sah sich Apple gezwungen, hart Stellung zu beziehen. In einem TV-Interview mit Charlie Rose versprach er den Nutzern im September 2014, möglichst wenig Informationen über sie zu speichern. „Wenn wir einen neuen Dienst entwerfen, versuchen wir, keine Daten zu sammeln“, sagte Cook. Apple mache sein Geld mit dem Verkauf von Geräten. „Unser Geschäft beruht nicht darauf, Informationen über Sie zu haben. Sie sind nicht unser Produkt“, sagte Cook an die Adresse der Kunden.

Zugleich platzierte Cook in dem Gespräch einen Seitenhieb gegen Rivalen wie Google, ohne diese beim Namen zu nennen. Nutzer sollten sich immer fragen, wie ein Unternehmen sein Geld verdiene. „Folgen Sie der Spur des Geldes. Und wenn sie das Geld vor allem machen, indem sie Brocken persönlicher Daten sammeln, denke ich, dass Sie (die Nutzer) ein Recht haben, besorgt zu sein.“

Cook bekräftigte bei dieser Gelegenheit, Gerüchte über Hintertüren für Geheimdienste bei Apple seien unwahr. „Wir würden das nie zulassen. Die müssten uns dafür schon in einem Karton aus dem Gebäude bringen.“ Apple horte keine «Schatztruhe» von Daten für die NSA und andere Geheimdienste. So seien die Kurznachrichten im Chatdienst iMessage verschlüsselt, und der Konzern habe dazu keinen Zugang. Auch wenn die Regierung sie lesen wollte, könne Apple sie nicht aushändigen, sagte Cook.

Im Jahr 2016 wurde Cooks Haltung auf eine schwere Probe gestellt. Er weigerte sich nach einem Anschlag in San Bernadino, das iPhone des Terrorschützen für das FBI zu entsperren. Das Justizministerium warf dem Apple-CEO damals vor, die Weigerung beruhe nicht auf rechtlichen Argumenten, sondern sei Teil einer Marketingstrategie. Der Konflikt wurde damals dadurch gelöst, dass das FBI das iPhone 5C des getöteten Terroristen bei einem Sicherheitsdienstleister aus Israel entsperren lassen konnte.

Auch zwei Jahre später verteidigte Cook seine Weigerung. Er stehe nach wie vor zu seiner Entscheidung, sagte Cook dem FOCUS. „Allerdings hätte ich niemals erwartet, in eine solche eine Situation zu kommen – schließlich ist es die Ausgabe des Staates, für die Rechte seiner Bürger einzutreten. Das haben wir dann getan.“

Nach dem Datenschutzskandal rund um Cambridge Analytica grenzte sich Cook immer stärker von den großen Internet-Konzernen ab, vor allem von Facebook. Eine detaillierte Nutzerdatensammlung wie von Facebook „sollte nicht existieren“ sagte Cook und rief nach einer Regulierung.  Als die US-Journalistin Kara Swisher in einem MSNBC-Interview fragte, was er an Stelle von Mark Zuckerberg (zur Wiederherstellung der Privatsphäre) mach würde, antwortete Cook trocken: „Ich wäre nicht in seiner Lage.“

Im März 2018 versprach der Apple-CEO, dass sein Unternehmen die Privatsphäre der Nutzer als Menschenrecht ansehe und dieses als bürgerliche Freiheit betrachte. Diese Position vertrat Cook im Oktober 2018 auch noch einmal prominent auf einer Tagung der Europäischen Datenschutzbeauftragten in Brüssel. Der Apple-CEO warnte deutlichen Worten vor einem wachsenden „datengetrieben-industriellen Komplex“ gewarnt.

Bei einem anderen politischen Thema macht sich Tim Cook – zumindest in Europa – wenig Freunde – nämlich der Frage, wie eine faire und rechtmäßige Besteuerung der riesigen Gewinne von Apple außerhalb der USA erfolgen soll. Ende August 2016 setzte die EU-Kommission mit einem gewaltigen Steuerbescheid von potenziell mehr als 13 Milliarden Euro für Apple ein Ausrufezeichen. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte Tim Cook: „Wenn mein Steuersatz auf 0,005 Prozent sinken würde, hätte ich das Gefühl, dass ich einen zweiten Blick auf meine Steuerrechnung werfen sollte.“

Das umstrittene Steuerkonstrukt war bereits in der 1. Ära von Steve Jobs, also noch vor seinem Rauswurf bei Apple 1985, entstanden: Apple ließ einen erheblichen Teil des weltweiten Geschäfts über Tochterunternehmen in Irland laufen. Eine der Töchter war dafür zuständig, Geräte aus Asien zum Verkauf in Europa umzuschlagen. Außerdem übernahmen irische Apple-Firmen einen Teil der Entwicklungskosten. Dafür bekamen sie Rechte an intellektuellem Eigentum übertragen und entsprechend wurde dorthin auch ein Teil der Gewinne abgeführt. Eines der irischen Tochterunternehmen verwaltete bereits besteuerte Konzerngewinne. Das Konstrukt führte dazu, dass bestimmte Gewinne nirgendwo versteuert wurden, weder in den USA noch in Europa.

Cook war nicht der Architekt dieser Konstruktion, verteidigte sie aber vehement. Die Kritik Vestagers, Apple habe in Irland im Jahr 2014 eine Körperschaftssteuer von nur 0,005 Prozent bezahlt, bezeichnete er als „politischen Dreck“. „Ich weiß nicht, wo sie diese Zahl herhaben», sagte Cook. Apple habe in dem Jahr 400 Millionen Dollar Steuern in dem Land bezahlt. „Wir glauben, dass wir damit der größte Steuerzahler in Irland in diesem Jahr waren.“

Nach einer umfassenden Steuerreform durch US-Präsident Donald Trump ließ Cook den Großteil seiner gewaltigen Geldreserven von mehr als 250 Milliarden Dollar ins Heimatland bringen. In diesem Zusammenhang zahlte Apple auch Steuern von 38 Milliarden Dollar – aber nicht an den Fiskus in Europa, sondern die US-amerikanischen Finanzbehörden. Um die Steuerzahlung in Europa wird aber weiter gestritten. Die EU-Kommission betonte, der Schritt ändere nichts an der Forderung, Apple solle mindestens 13 Milliarden Euro Steuern in Irland nachzahlen.

Supply-Chain-Guru, Umweltfreund, Datenschützer, Steuerfuchs. Tim Cook hat viele Facetten. Welchen Platz er aber irgendwann im Buch der Geschichte von Apple einnehmen wird, kann man noch nicht absehen. Das wird auch stark davon abhängen, ob es ihm gelingen wird, ein Produkt einzuführen, das halbwegs an den Erfolg des iPhone anknüpfen kann. Ob das die von ihm immer wieder angedeutete AR-Brille sein wird? Und wenn ja, ob das wirklich mal ein ganz großes Ding werden wird? Wir werden es sehen.

Umsatz von Apple von 2004 – 2022 – Quelle: Statista

Quellen:

THE INFORMATION: The People With Power at Apple (28.02.2019)

TIME: Apple CEO Tim Cook Is Increasingly Flexing His Muscles

BILD: Tim Cook – Warum ich mich den Deutschen so nah fühle

Cult of Mac: Who Is Apple’s New CEO Tim Cook? [Bio]

3News – Apple’s softer side emerges under Cook

NBCNEWS.COM: Apple’s Tim Cook Is First Fortune 500 to Come Out as Gay

Wikipedia contributors. Tim Cook [Internet]. Wikipedia, The Free Encyclopedia; 2019 Feb 28, 15:45 UTC [cited 2019 Mar 4]. Available from: https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Tim_Cook&oldid=885523681.

SPIEGEL ONLINE: Coming-out des Apple-ChefsTim Cook bricht das letzte Tabu (31.10.2014 )

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