Bis zum Tag der offiziellen Vorstellung des Apple Macintosh am 24. Januar 1984 war es ein langer Weg gewesen. Fünf Jahre zuvor, im Frühling 1979 machte sich Apple-Chairman Mike Markkula Gedanken darüber, ob sein Unternehmen nicht einen 500-Dollar-Computer auf den Markt bringen sollte. Markkula beauftragte Jef Raskin mit dem geheimen “Annie”-Projekt.
Raskin war für die Publikationen bei Apple, insbesondere Handbücher, verantwortlich und sollte eigentlich sich stärker um die Entwickler kümmern, die Anwendungen für den Apple II schreiben. “Ich sagte Markkula, dass ‘Annie’ ein klasse Projekt ist, dass man für 500 Dollar aber nicht viel machen kann”, erinnert sich Raskin später. “Gleichwohl steckte in dem Projekt etwas, von dem ich seit einiger Zeit geträumt habe, was ich Macintosh genannt habe. Im Kern ging es darum, etwas komplett aus der menschlichen Perspektive heraus zu entwickeln.”
Im Herbst 1979 schrieb Raskin seinen Artikel “Computers by the Millions“, in dem er seine Vision eines Rechners für die Massen entwarf. Markkula bestand darauf, den Bericht als vertraulichen internen Report zu behandeln. Der Aufsatz wurde erst 1982 im SIGPC Newsletter, Vol. 5, No. 2, veröffentlicht.
Raskin wählte einen völlig neuen Ansatz, denn bislang definierte stets das “technisch Machbare” das Design eines Computers. Der studierte Informatiker, der bei seiner Anstellung sein Diplom vor den Apple-Gründern verheimlichte (weil die Steve Wozniak und Steve Jobs Akademikern extrem misstrauisch begegneten), wollte einen Computer für den normalen Menschen auf der Straße bauen – und dieser durfte natürlich auch nicht unerschwinglich sein.
Raskins Ausdruck von der “Person in the Street” wurde bei Apple zum geflügelten Wort, das mit PITS abgekürzt wurde. Der erste Entwurf von Raskin sah einen geschlossenen Computer inklusive Monitor, Tastatur und Drucker vor, der ohne externe Kabel auskommen sollte – und das alles für 500 Dollar. Dafür sollte der Macintosh aber nur mit einem winzigen 5-Zoll-Display, einer Billig-CPU (6809) und einem extrem eng bemessenen Hauptspeicher von 64 Kilobyte ausgestattet sein.
Steve Jobs hatte sich zu diesem Zeitpunkt nicht besonders um das Macintosh-Projekt gekümmert – und Raskin versuchte in einer dunklen Vorahnung auch alles, um den Apple-Mitbegründer außen vor zu halten. Im Sommer 1980 bahnte sich jedoch gerade ein massiver Konflikt zwischen Jobs und Apple-President Mike Scott an, denn Scott wollte Jobs aus der konkreten Entwicklungsarbeit an dem neuen Lisa heraus drängen. Mit seinem launischen und zeitweise sehr aggressiven Führungsstil hatte Jobs viele Entwickler vor den Kopf gestoßen. Außerdem traute Scott ihm keine größere Management-Rolle zu und wollte ihn auf die weniger wichtige Rolle eines Firmensprechers und Promoters im Vorfeld des Apple-Börsenganges am 12. Dezember 1980 festlegen.
Jef Raskin verließ Apple im Jahr 1982 und gründete die Firma Information Appliance, Inc., um sein Original-Konzept aus dem Macintosh-Projekt umzusetzen. Das Unternehmen brachte die “SwyftCard” auf den Markt, eine Firmware-Karte für den Apple II. Auf der Karte befand sich ein Programm-Paket, das auch auf Disk als SwyftWare angeboten wurde. Information Appliance offerierte später mit dem Swyft einen Laptop-Computer, der aber nur mäßigen kommerziellen Erfolg hatte. Raskin lizenzierte das Swyft-Design an Canon, die auf dieser Basis 1987 den Canon Cat baute.
Trotz der großen Aufmerksamkeit, die das innovative Interface des Canon cat erregte, blieb auch diesem Produkt der Durchbruch versagt. Raskin machte für diesen Fehlschlag auch Steve Jobs verantwortlich, der als Chef von NeXT Computer Canon zur Aufgabe des Cat-Projektes bewogen habe. Cat sei aber auch internen Rivalitäten bei Canon zum Opfer gefallen..
In seinem Buch “The Humane Interface” beschrieb Raskin später seine Vision einer Computer-Schnittstelle für den Menschen, die sich an den humanen Bedürfnissen – und nicht an der Technik orientiert.
Jef Raskin starb am 26. Februar 2005 im Alter von 61 Jahren.