Steve Jobs (6): Das Dynamic Duo bricht entzwei – Neustart mit Pixar
Steve Jobs’ neue Computerfirma NeXT war anders als das Filmstudio Pixar komplett auf den Chef ausgerichtet. Hier sollte der Computer entstehen, den Jobs bei Apple nicht bauen durfte. Als die Geldvorräte knapp wurden und immer noch kein Produkt in Sicht war, schwatzte er dem Multimillionär Ross Perot 20 Millionen Dollar ab, um eine hypermoderne Fabrik für die Produktion des NeXT bauen zu lassen.
Den legendären Designer Paul Rand, der zuvor den IBM-Schriftzug entworfen hatte, beauftragte Jobs mit der Gestaltung des NeXT-Logos, der deutsche Designer Hartmut Esslinger schuf das legendäre schwarze Würfel-Gehäuse. Und Steve Jobs kümmerte sich um Details, die seinen Mitarbeitern kaum zu vermitteln waren. So verlangte er, dass die Schrauben im Rechner eine teure Beschichtung erhielten und der mattschwarze Lack auch auf der Innenseite des Gehäuses aufgetragen wurde, obwohl der Anwender dies nie zu sehen bekommen würde. „Er kannte keine Kompromisse“, sagt Esslinger. Wer einen NeXT-Cube ausprobierte, war in der Regel begeistert.
Doch die 6500 Dollar, die der NeXT-Würfel kostete, waren den meisten Interessenten zu viel. Außerdem gab es für die leistungsfähige Workstation damals noch kaum Software, sodass insgesamt nur rund 50 000 Systeme abgesetzt wurden. Deshalb fand Jobs für die teure Hardware – ähnlich wie beim ersten Macintosh – nur wenig Käufer. Immerhin war unter den europäischen NeXT-Anwendern der britische Wissenschaftler Tim Berners-Lee, der auf einem schwarzen NeXT-Cube am Forschungszentrum CERN in Genf das Konzept des World Wide Web und den ersten Browser entwickelte.
In dieser Zeit lernte Archibald Horlitz, Chef des größten deutschen Apple-Händlers Gravis, Steve Jobs kennen. Horlitz hatte von dem neuen Projekt gehört und klopfte bei einer Kalifornien-Reise spontan bei NeXT an, um sich vom Chef persönlich das System vorführen zu lassen. „Steve Jobs hatte mehrere Facetten. Wenn er etwas wollte, konnte er einer der charmantesten Menschen der Welt sein“, erinnert sich Horlitz. „Ich habe von einem Kollegen bei NeXT gehört, wie dort typische Einstellungsgespräche abliefen. Er nahm die Leute im wahrsten Sinne des Wortes in den Arm und lief mit ihnen ein, zwei Stunden über den Stanford-Campus. Wenn sie dann zurückkamen, waren sie erleuchtet und konnten sich nichts Schöneres vorstellen, als für ihn zu arbeiten.“
Jobs konnte so eine Reihe von großen Talenten wie Avie Tevanian oder Scott Forstall an sich binden. Doch eine wirtschaftliche Besserung für NeXT war nicht in Sicht. Das Unternehmen verbrannte bedenklich viel Geld – und bei Jobs gingen (noch vor dem Pixar-Börsengang) langsam die finanziellen Reserven zu Neige. 1993 zog er bei NeXT die Notbremse, entließ viele Mitarbeiter und stellte die Hardware-Produktion ein. NeXT fokussierte sich jetzt allein auf die Software-Entwicklung. Und wie bei einem Treppenwitz der Geschichte kam Steve Jobs mit dieser strategischen Entscheidung wieder bei seinem alten Unternehmen Apple ins Spiel.
NeXT rettet Apple
Apple befand sich Mitte der neunziger Jahre in einem denkbar schlechten Zustand. John Sculley hatte zwar Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre einige Erfolge in der Publishing-Industrie feiern können. Produkte wie die PowerBook-Familie kurbelten eine Zeitlang den Umsatz an. Doch an die Absatzzahlen der Hersteller von IBM-kompatiblen PCs mit dem Betriebssystem DOS von Microsoft kam Apple mit dem Macintosh nicht heran. Zum Start des Macs hatte Bill Gates 1984 den Apple-Rechner noch öffentlich als innovative PC-Plattform gelobt. Doch hinter dem Rücken von Steve Jobs machte sich der Microsoft-Gründer daran, die Konzepte des Macintosh für sein Windows-System auszuplündern. Jobs bekam Wind davon und stellte Gates wütend zur Rede: „Du zockst uns ab. Ich habe dir vertraut und jetzt beklaust du uns!“ Der Microsoft-Chef blieb ganz cool: „Ich glaube, das kann man auch anders sehen, Steve. Ich glaube, man könnte eher sagen, dass wir beide diesen reichen Nachbarn namens Xerox hatten und ich in sein Haus eingebrochen bin, weil ich seinen Fernseher klauen wollte, um dann feststellen zu müssen, dass du mir zuvorgekommen bist.“
Nach dem Weggang von Jobs konnte auch Sculley nicht verhindern, dass Microsoft sein Windows-System ständig fortentwickelte und dabei Details der grafischen Bedienoberfläche des Macs übernahm. Apple war erpressbar, denn wichtige Anwendungsprogramme für den Mac kamen von Microsoft. Nachdem Bill Gates damit gedroht hatte, die Entwicklung von Microsoft Office für den Mac einzustellen, wenn Apple gegen Windows vorgehen werde, lizenzierte der Apple-CEO 1986 bestimmte Elemente der Mac-GUI an den Konkurrenten aus Redmond. Doch dann musste Sculley hilflos zusehen, wie die Microsoft-Truppe die Grenzen der Vereinbarung mit jeder neuen Windows-Version schamlos zu ihren Gunsten verschob.
Auch eine 1988 von Apple angestrengte Klage konnte den Softwaregiganten nicht mehr stoppen. Das Gericht entschied 1992, dass Apple die grafische Bedienoberfläche oder die Idee des virtuellen Schreibtisches über das Urheberrecht nicht wie bei einem Patent schützen lassen könne. 1994 scheiterte Apple letztlich auch beim U.S. Supreme Court mit dem Versuch, Windows gerichtlich stoppen zu lassen. Sinkende Einnahmen und Schwierigkeiten in der Entwicklungsabteilung verschärften bei Apple die Krisenstimmung.
Im Juni 1993 riss dem Apple-Verwaltungsrat der Geduldsfaden. Das Board ersetzte Sculley durch den deutschstämmigen Manager Michael Spindler, der beim Vertrieb in Europa Punkte gesammelt hatte. „The Diesel“ war ein effektiver Manager, doch ihm fehlte jegliche Inspiration. Er konnte Apple nicht aus der Krise führen. Ihm gelang es nicht einmal, das Unternehmen an Interessenten wie IBM, Sun Microsystems oder Philips zu verkaufen. Nach anderthalb Jahren wurde Spindler durch den Sanierungsexperten Gil Amelio als CEO abgelöst. Amelio musste 1996 – ein Jahr nach dem erfolgreichen Start von Windows 95 – vor allem die Frage nach dem künftigen Betriebssystem beantworten, da das Apple-interne Copland-Projekt grandios gescheitert war.
Zur Auswahl standen BeOS des ehemaligen Apple-Managers Jean-Louis Gassée und Steve Jobs’ System NeXTStep. Um die Entscheidung zwischen Be und NeXT, die Steve Jobs für sich entscheiden konnte, ranken sich inzwischen unzählige Mythen, die heute nur noch schwer zu entwirren sind. Be verlor jedenfalls den Wettlauf. Apple zahlte im Februar 1997 knapp 430 Millionen Dollar für NeXT und das Know-how der Firma.
Bill Gates hatte für den Richtungswechsel bei Apple nur Hohn und Spott übrig. „Glauben Sie wirklich, dass Steve Jobs etwas in der Hand hat?“, fragte Gates den noch amtierenden Apple-CEO Amelio. „Ich kenne seine Technologie, das ist nichts weiter als ein aufgewärmtes UNIX, und ihr werdet es nie schaffen, das auf euren Rechnern laufen zu lassen. (…) Wofür kaufen Sie diesen Müll?“ Gates nahm NeXTStep als Konkurrenzsystem nicht ernst. Er ahnte aber bereits, dass es nicht nur um ein neues Betriebssystem ging, sondern um einen Coup, der Steve Jobs wieder bei Apple an die Macht bringen sollte. Tatsächlich wurde Amelio fünf Monate später vom Board of Directors gefeuert und Jobs übernahm im September 1997 die Position eines „Interim-CEOs“. Apple stand damals 90 Tage vor dem Konkurs.
Gil Amelio with Steve Jobs at MacWorld Expo (1997)
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