Vom Labor auf den Schreibtisch
(Aktualisiert Nov. 2011)
Mit dem Apple Macintosh wurde auch die erste Computermaus entwickelt, die in Massen produziert werden konnte. Der Designentscheidung gingen heftig geführte Kontroversen voraus.
Wo wurde die Computermaus erfunden? Bei Apple? Nein. Im Forschungszentrum Xerox PARC? Stimmt auch nicht, auch wenn dies häufig behauptet wird. Den Ruhm als Erfinder der Computermaus kann der legendäre kalifornische Wissenschaftler und Tüftler Doug Engelbart für sich beanspruchen. In den 60er Jahren beschäftigte sich der ehemalige Navy-Radartechniker am Stanford Research Institute (SRI) in Menlo Park mit der “Erweiterung des menschlichen Intellekts”.
Die legendäre Demo der ersten Computermaus von Douglas Engelbart aus dem Jahr 1968 (9 Teile)
Doug Engelbart 1968 Demo – 2 of 9 – YouTube
Doug Engelbart 1968 Demo – 3 of 9 – YouTube
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Doug Engelbart 1968 Demo – 5 of 9 – YouTube
Doug Engelbart 1968 Demo – 6 of 9 – YouTube
Doug Engelbart 1968 Demo – 7 of 9 – YouTube
Doug Engelbart 1968 Demo – 8 of 9 – YouTube.
Doug Engelbart 1968 Demo – 9 of 9 – YouTube
Im Rahmen dieses akademischen Projekts führte Engelbart der Forschungsgemeinde 1968 in San Francisco erstmals den Einsatz einer Maus vor, die auf einem Bildschirm einen schwarzen Punkt bewegte. “In unserer Vision gingen wir davon aus, dass die Menschen zur Lösung von Problemen computergestützte Arbeitsstationen einsetzen werden. Diese Stationen setzten voraus, dass man mit Hilfe eines Geräts einen Cursor und damit die Informationen auf dem Bildschirm ansteuern konnte. Wir probierten (im Auftrag der NASA) verschiedene Geräte aus, darunter einen Lichtgriffel und auch Joysticks”, sagte Engelbart 30 Jahre später in einem Interview. “Es stellte sich schnell heraus, dass die Maus besser als alle anderen Geräte funktionierte.”
Die NASA konnte allerdings mit der ersten Maus nicht viel anfangen, da auch bald deutlich wurde, dass Engelbarts Maus in der Schwerelosigkeit nicht angewandt werden konnte. SRI meldete Engelbarts Erfindung zum Patent an, das am 17. November 1970 auch unter der Nummer 3,541,541 erteilt wurde.
Es dauerte dann fast weitere zehn Jahre, bis sich im Silicon Valley wieder ein Forschungsteam ernsthaft mit der Maus als Bestandteil einer grafisch orientierten Benutzeroberfläche eines Computers beschäftigte. Die Forscher des Xerox PARC schlossen an ihren Computer Alto eine Maus an, mit der man Befehle auf dem Rechner ausführen, Texte markieren und Dateien öffnen konnte. Diese Xerox-Maus bekam Steve Jobs im November 1979 (siehe auch hier) zu Gesicht.
Jobs war von dem Konzept begeistert, sah aber auch die Probleme im Detail. Die Xerox-Maus kostete in der Herstellung allein 400 Dollar, fiel durchschnittlich nach einer Woche aus und konnte nur von Fachleuten repariert werden. “Steve Jobs kam zu uns und sagte: ‘Ich will eine Maus für 10 Dollar, die niemals ausfällt und die in Massen produziert kann, weil die Maus das wichtigste Interface des Computers der Zukunft werden wird”, erinnert sich Jim Sachs, der bei einer externen Firma die Apple-Maus entwarf, der damals zunächst am Verstand des Vegetariers Jobs gezweifelt hatte, denn ein Maus als wichtigstes Eingabeinstrument eines Computers war eigentlich unvorstellbar. “Wir dachten zunächst, vielleicht sollte er seine Ernährungsweise doch mit etwas Fleisch anreichern. Aber solange er uns 25 Dollar die Stunde bezahlte, hätten wir ihm auch einen solarbetriebenen Toaster gebaut.”
Die Entwickler bei Hovey-Kelley ersetzten die elektrischen Bürstenkontakte der Xerox-Maus durch optomechanische Kontakte, die über mit Federn angedrückte Rollen die Bewegung der Mauskugel registrieren. An den Rollen befestigten sie Lochscheiben, die bei einer Bewegung Lichtwechsel auslösen. Diese Wechsel werden von Photozellen erfasst und in entsprechende elektrische Signale umgewandelt. Die Entwickler probierten für die ersten Modelle jede denkbare Kugelvariante aus. Ein Team-Mitglied ging in den nächsten Supermarkt und beschaffte sich Deo-Roller, um die Kugeln in die Maus-Prototypen einzubauen. Letztlich entschieden sich die Verantwortlichen für eine aufgeraute Stahlkugel, die in die Maus des Apple Lisa eingebaut wurde.
Die Apple-Maus sollte im Gegensatz zu den historischen Vorbildern nicht durch Dreck außer Gefecht gesetzt werden. Daher steckte Hovey-Kelley die Kugel hinter einen Ring am Boden des Plastikgebäudes, der leicht herausgeschraubt werden konnte, um die Kugel entfernen und die Rollen reinigen zu können. Zuletzt beschafften die Entwickler noch Kabel, die bei den ständigen Bewegungen der Maus nicht sofort brachen. Schließlich sollte das Gerät auch den “Jo-Jo“-Test bei Apple bestehen, bei dem die Maus vom Tisch gestoßen und vom Kabel aufgefangen wurde.
Unterdessen stritten sich die Entwickler bei Apple, wie viele Tasten die Maus haben sollte. Die Maus des Xerox Parc hatte drei Tasten. Das erschien fast allen Mitgliedern der beiden Apple-Teams (Lisa und Macintosh) zu kompliziert. Eine Fraktion bestand darauf, der Apple-Maus nur eine Taste zu verpassen, weil so der Einstieg für Computer-Anfänger viel einfacher sei und auch Kinder besser die Maus bedienen könnten. Die andere Fraktion hatte vor Augen, Tastatur/Maus-Kombinationen wie CRTL-Mausklick durch einen einzigen Klick zu ersetzen. Dafür benötigte man aber eine zweite Taste.
Der erste Macintosh-Entwickler, Jef Raskin, der zunächst den Einsatz einer Maus überhaupt verhindern wollte, setzte sich dann mit seiner internen Lobby-Arbeit für die einfachere Maus mit nur einer Taste durch.
Nach der Einführung des Lisa stellte sich schnell heraus, dass die Metallkugel zu viel Lärm verursachte. Daher wurde zunächst die Metallkugel mit einem Kunststoffmantel überzogen, bevor dann die Kugel vollständig aus Kunststoff produziert wurde. Apple lizenzierte Engelbarts Maus beim SRI für die vergleichsweise niedrige Summe von 40.000 Dollar und meldete seine Weiterentwicklungen selbst zum Patent an, das am 7. August 1984 beim US-Patentamt unter der Nummer 4,464,652 eingetragen wurde.
Die Kontroverse um die Anzahl der Tasten begleitet Apple im Prinzip auch heute noch, denn bislang weigert sich der Macintosh-Hersteller, Mäuse mit mehreren Tasten oder einem Scrollrad zu produzieren, obwohl erfahrene Anwender damit durchaus komfortabel umgehen könnten.
Christoph Dernbach